Mediaagenturen: Betrug, Verschleierung und Intransparenz

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Der amerikanische Werbeauftraggeber-Verband «Association of National Advertisers» ANA liess von K2 Intelligence die Transparenz der Mediaagenturen überprüfen. Der Report deckt die Kickback- Praktiken der Mediaagenturen schonungslos auf.

Mediaagenturen: Betrug, Verschleierung und Intransparenz

Die Liste der gefundenen Verfehlungen des ANA-Reports liest sich wie ein Audit-Alptraum. Betrug gehört zum Tagesgeschäft: veruntreute Gratis-Media, unterschlagene Rabatte und Umsatzboni, getarnt als Gegenleistung für dubiose Dienstleistungen. Es wird viel Aufwand betrieben, um die lukrativen Kickbacks und Boni der Agenturen vor den Kunden und Auditoren zu verstecken.
Basierend auf den Umsatzvolumen werden die Medienanbietergenötigt, dubiose Marktforschungsprojekte, nutzlose Beratungsmandate oder obskure Service Leistungen bei den Agenturen zu beziehen. Mit diesen Services, welche aber wenig oder keinen Nutzen für die Medienhäuser aufweisen, meist massiv überteuert sind oder gar nicht erbracht werden, sollen die Kickbacks verschleiert werden.

Agenturen werden zu Vermarktern

Ein äusserst lukratives Betätigungsfeld ist die Vermarktung eigener Agentur- oder Holding Produkte. Gemäss dem K2 Report steigt dabei die Rendite auf 30% bis 90% des Mediainvestments (statt den üblichen 2-3% Honorar). Dies erklärt einerseits die hohen Renditen, welche die Werbeholdings jedes Jahr ausweisen und andererseits die Penetranz mit der solche Agentur-/Holding-Produkte von den Agenturen in Kundenmediapläne gedrückt werden. Hier wird der Berater zum Vermarkter und das Kunden Mediabudget zur Selbstbedienungstheke. Neueste Variante: die Agentur-Holding kauft sich Beteiligungen an Medienunternehmen wie z.B. einem Online Anbieter oder einer Demand Side Platform (DSP) und zwingt ihre Tochteragenturen dazu, möglichst viele Kundenbudgets dorthin umzuleiten.

Unterschiedliche Auffassung von Kundenservice

Befragungen von Agentur Mitarbeiter und Chefs zeigen, dass das Rollenverständnis in Agenturen sehr unterschiedlich ist. Während die einen sich dem Kunden verpflichtet fühlen und vollumfänglich dessen Interessen vertreten wollen, sehen viele ihre Aufgabe darin, zwar das vertraglich Vereinbarte zu respektieren, darüber hinaus aber die eigene bzw. die Renditeziele der Agenturbesitzer zu verfolgen. Das dies oft im Widerspruch zu den Kundeninteressen steht, wird in Kauf genommen. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Netzwerk- und unabhängigen Agenturen liess sich nicht feststellen. Auch unabhängige und inhabergeführte Agenturen handeln teilweise intransparent. Lukrative Geschäftsmodelle verbreiten sich schnell über die Landesgrenzen.

Mit System zu mehr Rendite – auch in der Schweiz

Es wäre naiv anzunehmen, dass die aufgedeckten Kickback-Praktiken nur in den USA eingesetzt werden. Dieselben Agenturen und Netzwerke sind auch in der Schweiz tätig und adaptieren erfolgreiche Konzepte lokal. In Deutschland hat das Fachmagazin Werbung & Verkaufen vor ziemlich genau einem Jahr die Machenschaften der Mediaagenturen in einer Titelgeschichte (W&V Nr. 30/2015) thematisiert und ähnliche Vorgehensweisen festgestellt. Beschwerden von Werbeauftraggebern und Hinweise aus den Reihen der Schweizer Medien und Vermarkter bestätigen diesen Umstand auch in der Schweiz. So fordert der SWA seit Jahren mehr Transparenz im Mediageschäft und unterstützt seine Mitglieder im Agenturmanagement. Mit dem vor zwei Jahren veröffentlichten „SWA-Code of Conduct“ wurde zudem ein klarer Positionsbezug an die Adresse der Mediaagenturen und Anbieter gemacht.

Werbeauftraggeber benötigen mehr Media-Know-how

Das Media Management wird für Werbeauftraggeber immer komplexer und ist steter Veränderungen unterworfen. Darum rät der SWA seinen Mitgliedern:

  • Das Media Know-how im eigenen Unternehmen ist laufend zu stärken bzw. auszubauen.

  • Die periodische Überprüfung und Anpassung der Media-Agenturverträge, allenfalls unter Einbezug von Fachspezialisten.

  • Die Einführung eines Media-Controlling bei Mediaplänen, mit einem internen 4-Augenprinzip oder einem unabhängigen Mediaberater.

  • Verlangen Sie von Ihren Agenturen regelmässig Transparenz über ihre Beteiligungen im Mediageschäft, die Deklaration sämtlicher Rückvergütungen, Freespaces etc.

Braucht die Schweiz jetzt auch einen Report über die Transparenz im Mediageschäft? Der SWA findet, dass dies derzeit nicht dringlich ist und empfiehlt allen Auftraggebern den SWA Code of Conduct zu verwenden. Zudem wird der SWA prüfen, ob zu einem späteren Zeitpunkt ein Report zur Transparenz im Mediageschäft in Auftrag geben werden soll.

 

Tipps was Sie nun tun sollten, finden Sie im nächsten Artikel:
"Wie sich Werbeauftrageber mehr um Media kümmern. "

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Über den Autor:

Sandro Prezzi

Sandro Prezzi

Experte für Media, Digitalisierung und Integrierte Kommunikation.

Seit 2007 kommentiert Sandro Prezzi Entwicklungen, Trends und News der Schweizer Werbewirtschaft. Seine Hauptthemen sind Media, Integrierte Kommunikation, Medien-Forschung, Digitalisierung und Online Marketing.

Roland Ehrler

Roland Ehrler

Roland Ehler ist Direktor des Schweizer Werbeauftraggeber Verbandes SWA/ASA hat einen Master of Advanced Studies (MAS) in «Corporate Communications Management», ist dipl Werbeleiter und ausgewiesener Media Fachmann. Er war bis 2012 bei der Swisscom als Teamleiter Unternehmens Kommunikation und als Mediakoordinator tätig.

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Kontakt: This email address is being protected from spambots. You need JavaScript enabled to view it.

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