Alles disruptiv oder was?

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Disruptiv ist seit den Höhenflügen der Online-Konzerne in aller Munde. Da schwingen Begriffe wie Revolution, Digitalisierung, Erfolg, Höheflüge und explodierende Reingewinne mit. Disruptiv ist was allgemein dafür gehalten wird aber nicht.

Alles disruptiv oder was?

Sie haben den Begriff bestimmt schon selbst benutzt: disruptiv. Meist im Zusammenhang mit der Digitalisierung und den damit verbundenen Umstellungen. Dies wird auch von vielen Journalisten und Autoren so eingesetzt. Sobald eine Innovation einen Markt durchschüttelt, wird das Zauberadjektiv "disruptiv" angewendet.


Ist UBER eine disruptive Innovation?

Nein ist es nicht. Denn nicht jede Innovation welche einen Markt transformiert ist auch diruptiv - zumindest nicht wenn man sich streng an die Theorie von Clayton Christensen (Harward Business School) hält, der bereits 1997 in seinem Buch "The Innovators Dilemma" den Begriff erstmals definierte. Denn Uber ist seit der Gründung im 2009 stetig mit grossem Erfolg gewachsen und inzwischen in 60 Ländern aktiv und hat einige Nachahmer gefunden, welche das UBER Businessmodell nutzen. Damit ist UBER zwar eine Innovation, ohne Frage, aber keine disruptive. Zwei Dinge zeichnen disruptive Innovationen aus:

  • sie starten entweder in Nischensegmenten, welche sich primär dadurch auszeichnen, dass sie von den etablierten Anbietern wegen der deutlich niedrigeren Margen und Marktbedeutung ignoriert werden, weil diese Kunden zum Beispiel niedrigere Erwartungen haben und damit nicht bereit sind einen hohen Preis dafür zu bezahlen,
  • oder sie schaffen ganz neue Marktsegmente indem sie neue Kunden erschliessen, welche vorher gar nicht "im Markt" waren, an den Produkten und Services also nicht interessiert waren.

Eine disruptive Innovation startet nach Definition in einem der beiden Segmente. Das trifft auf UBER aber nicht zu. Man kann schwerlich behaupten, UBER hätte eine "light" Version des Taxis erfunden, da die konventionellen Taxis mit dem Luxus, Ausstattung, Service die Anforderungen der Kunden weit übertroffen hätten. Auch kann man nicht behaupten, die UBER Taxis würden von anderen Kunden benutzt als die konventionellen - also auch keine neuen Nutzergruppen erschlossen. Damit ist UBER per Defintion keine disruptive Innovation und mit UBER viele andere neuen vorwiegend digitale Innovationen auch nicht. UBER hat es geschafft, sich eine Position als führenden Community-Marktplatz für Personentransport zu schaffen, damit den Zugriff auf diese Dienstleistungen einfacher und schneller zu gestalten und hat mit der neuen Technologie auch neue Anbietern den Markteintritt ermöglicht (private Fahrer).

Disruptiv und Digitalisierung

Vielfach wird im Zusammenhang mit der Mediennutzung von disruptiv gesprochen. Auch hier wird der Begriff in der Regel falsch eingesetzt. Disruptiv heisst Bestehendes auflösen, Synonyme sind zerstören, auflösen, oder aufspalten. Die erzwungene Mobilitität (Pendeln) vieler Arbeitnehmer kann disruptive Folgen auf ihre Sozialkontakte haben. Aber nicht auf ihre Mediennutzung. Auch diese wird durchs Pendeln (im Schnitt 20-30 Minuten pro Weg) verändert, aber nicht aufgelöst.

Ein Beispiel für disruptive Effekte zeigt folgendes Video.. (mal überlegen wie der Titel noch vor dem Lesen dieses Artikels gewirkt hätte):

 

Digitale Transformation statt Disruption

Der korrekte Begiff für die teilweise erdrutschartigen Veränderungen durch die Digitalisierung wäre Digitale Transformation, statt Disruption.

Na und?

Ob disruptiv oder nicht, UBER hat das Taxibusiness ganz schön durcheinander gebracht. Ja, aber nicht derart wie echte disruptive Innovationen das tun: Personal Computer wie der VC20 von Comodore wurden anfangs als "Brotkiste" betitelt und von IBM belächelt. Der Start einer disruptiven Innovation - die Geschichte kennen wir - daraus entstand der PC, Laptop und schliesslich Apple. IBM hat sich 2004 mit dem Verkauf der PC Sparte an Lenovo endgültig vom "margenschwachen" Personal Computer Markt zurückgezogen.

Fazit: Disruptiv ist ein Buzzword und wird als solches zu oft und meist falsch eingesetzt. Echte disruptive Innovationen zu erkennen und frühzeitig zu handeln ist extrem schwierig und aufwändig, vielleicht für etablierte Marktteilnehmer kaum selbst feststellbar. Dass sich Unternehmen der Digitalen Transformation annehmen müssen steht ausser Frage. Wer sich nicht weiterentwickelt wird von der Entwicklung überrollt. Dies behaupten zumindest eine Horde selbsternannter Transformations Spezialisten und Berater im Markt. Auch wenn externe Fachleute und seriöse Consultants meist effizienter als rein interne Projekte sind, man sollte vorab prüfen, wer hier wem hilft.

Denken Sie daran, wenn sie sich nächsten Gedanken über ihren Markt und die Zukunftsentwicklung machen. Nicht die Digitale Transforamtion alleine birgt die grossen Gefahren, sondern die allgemeine Entwicklung in der Gesellschaft, Technologie und im Markt. Schliesslich gibts nur ein wirksames Mittel: hören sie auf Ihre Kunden. Tönt einfach, ist es oft nicht. Dazu aber an anderer Stelle mehr.

 

 

Clayton Christensen
Clayton Christensen
Clayton Christensen

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Über den Autor:

Sandro Prezzi

Sandro Prezzi

Experte für Media, Digitalisierung und Integrierte Kommunikation.

Seit 2007 kommentiert Sandro Prezzi Entwicklungen, Trends und News der Schweizer Werbewirtschaft. Seine Hauptthemen sind Media, Integrierte Kommunikation, Medien-Forschung, Digitalisierung und Online Marketing.

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Kontakt: This email address is being protected from spambots. You need JavaScript enabled to view it.

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